Segen

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# Andachten und Predigten

Segen

Der Segen ist wieder einmal auf Tour. Er ist gerne unterwegs, schaut nach, wer ihn braucht, und wer sich von ihm in Beschlag nehmen lässt. Heute ist er mit dem neun- Euro-Ticket und der Regionalbahn unterwegs. Am großen Bahnhof steigt er aus. Schon auf dem Bahnsteig ein Riesengetümmel! „Meine Güte, wie viele Menschen unterwegs sind - aber okay, es sind Ferien…“. Er geht den Bahnsteig längs, die Treppe hinunter, unten sind noch mehr Menschen, er sortiert sich in die Schlange zum Ausgang hinein.

Der Segen hat seinen hellgelben Flatterschal um den Hals, sein Lieblingsstück. Manchmal legt er es jemandem um wie neulich einem Mädchen und einem Jungen: Sofie und Tim. Die waren ganz glücklich und haben mit der Sommersonne um die Wette gestrahlt.   Der Segen ist inzwischen auf dem lauten Vorplatz mit den Buden angekommen, er glänzt in der Sonne mit seinem Flatterschal, er geht schnell weiter. Einen Moment aber hat er nicht aufgepasst, da rempelt er einen jungen Mann an.  „Hey, Alda, pass doch auf! Keine Augen im Kopf?! Du bist mir so was von in die Hacken getreten!“ – „Schon“, antwortet der Segen, „ich war in Gedanken, sorry".  "So siehste aus" , sagt der Angerempelte. „Dein Schnuffeltuch passt dazu, zu deinem „in Gedanken“, wo kommst du denn her damit?!“  „Direkt von Gott“, strahlt der Segen. Und sein Gegenüber tippt sich an den Kopf und meint: “Ich auch, Alda", und ergänzt beim Gehen: „und jetzt pass auf, wo du hintrittst“…  „Das mach ich doch immer…“ denkt sich der Segen. "Ich schau genau, wer mich wirken lässt". Einen Moment scheint die gute Laune des Segens in Schieflage zu geraten, der junge Mann hätte ihm fast den Tag verdorben, aber der Segen sieht den Sommerhimmel und macht eine wegwerfende Handbewegung. Denn er war gern unter den Menschen, nicht nur an Sommertagen wie diesen. Er war gern in der Welt von Anfang an: Damals im Garten Eden, am großen Schiff und dann ja dann: unter dem Sternenzelt bei Abraham! "Tolle Kulisse – ähnlich wie beim großen Schiff", denkt er. Und dann sieht er Sarah, Isaak und Rebekka vor seinem inneren Auge und Jakob,das alte Schlitzohr. Na, der hat dann doppelt so lange gebraucht für seine Rahel. Und er erinnert sich an Josef und Mose und Josua und alle die vielen danach… so viele seit damals.
 Der Segen überquert die Straßenbahngleise und geht zielbewußt weiter Richtung Innenstadt – vorbei am Dönerladen, dem Juwelier, der Apotheke, dem Drogeriemarkt.

„So eine lange Reihe von Menschen, Gesegnete allemal“, denkt er sich, Jakob hat richtig um ihn gekämpft – das hat dem Segen imponiert! So unterschiedliche Typen, alle haben ihre Gaben entfaltet und haben sich von Gott gern in Beschlag nehmen lassen: Sie haben ihn, den Segen, tatkräftig weitergegeben.Ja, er war gerne unterwegs auf der Welt bei den Menschen auch wenn die Begegnung vor dem Bahnhof gerade etwas robust war. Die Menschen guckten immer ganz erwartungsvoll wenn er auf sie zukam, anders als eben. Sie waren dann höchst konzentriert, manche machten sogar die Augen zu oder breiteten die Hände aus. Er kam immer mit Worten und Händen und Kraft. Ja- der Segen war gern er selbst. Tauschen wollte er mit niemandem.     
Ganz zuletzt hatte gerade ein junges Paar von ihm Gebrauch gemacht,gestern Nachmittag, ganz schön verliebt waren die. Eine Pastorin war dabei. Ja, Pastoren und Pastorinnen sind unter anderem die, durch die er sich auch mitteilte. „Die wenigsten wissen“, murmelt der Segen so vor sich hin, „dass man auch einfach als Mensch segnen kann. Vielleicht sollten die Leute mehr segnen, dann wär’s vielleicht besser auf der Welt?", fragt er sich. Dann kramt er einen 5 Euro Schein aus dem Portmonnaie. Er legt ihn dem Obdachlosen auf die Decke und geht auf der Brücke bei der Windmühle weiter. Dabei kämpft der Segen mit seinem schlechten Gewissen: „Wenn ich nicht pünktlich da sein müsste, würde ich mich jetzt daneben setzen“. Aber weiter geht‘s. Der Verkehr rauscht an ihm vorbei, auch die Menschen, viele gucken angestrengt auf ihr Handy – total unentspannt.„Da muss ich ja aufpassen, dass mich diese Hektik nicht ansteckt!“ – Sein Weg führt ihn weiter durch die Altstadt. Tolle Häuser, schöne Giebel, altes Pflaster.

Der Segen denkt gerade, dass er ja schon etwas ziemlich Besonderes ist und fragt sich, womit er sich vergleichen würde?“ – Gar nicht so einfach. – „Gas“: Gas- unsichtbar, aber mit viel Wirkung! – Nö- passt eigentlich grade nicht so gut in die Zeit! – Vielleicht doch lieber feine Seide? Die legt man sich um die Schulter, hüllt sich ein, die wärmt, glänzt, kann geteilt werden. – Ja, Seide ist gut! Ich sollte ein hellgelbes Seidentuch haben statt Flatterschal"- denkt sich der Segen.

Beim Gehen durch die Gassen der Altstadt wandern seine Gedanken wieder zurück: Dass ich hier gerade in der norddeutschen Tiefebene unterwegs bin hat mit dem Einen zu tun. Mit dem Nachfahr Abrahams, dem Nachfahr Isais, dem Sohn der Maria. Ein Sohn Abrahams aus dem Volk der Abrahamskinder – und die mit und neben den anderen Völkern der Abrahamskinder von Ismael her. Mich hat Jesus gebraucht bei den Kindern, bei der großen Rede am Berg und noch viel öfter. Ob das den Menschen heute so klar ist, was sie meinen, wenn sie „viel Glück und viel Segen“ zum Geburtstag singen?! - Wie sehen die mich? Wissen sie etwas von mir? Und was?
Oder sehen sie nur das, was ich bewirke: ein mit der Welt, sich und Gott zufriedenes Leben führen. Vielleicht aber schreiben sie sich das nur selbst zu?: Gute Beziehungen untereinander zu haben, mit der Welt und allem darin gut umzugehen, für Frieden und gutes Leben zu sorgen. Dem anderen Gewicht verleihen, andere wertschätzen, das Gegenüber zu achten, eine Gemeinschaft zu werden und zu bleiben.  Dass ich unterwegs bin kommt vom gesegneten Abrahamssohn: segnen und sich segnen lassen geht über diese Verbindung. Die hier alle sind „Mitgesegnete“, das weiß schon das alte Kirchenlied mit dem eingewickelten Segen!Wir pflügen und wir streuen … Und dass die Menschen am Segen mitwirken, davon singt es auch. Der Segen  verliert sich fast in seinem Selbstgespräch.
Da hört er die Glockenschläge der großen Kirche beim Rathaus, jetzt schnell über den Platz und die Stufen hinauf, die Tür aufdrücken und zügig nach vorne. Er schaut über die Menschen, die dastehen und warten und dann klingt es laut und deutlich durch den Raum: „Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden“. Yes! – denkt der Segen – In diesen Worten und Sätzen bin ich am liebsten! Und jetzt gehe ich mit allen hier mit, und ich werde sehen, was in den kommenden Tagen passiert mit zufrieden sein und teilen, mit Glück, Frieden und dem Miteinander…dem Alltag eben. Ob ich zum Zuge komme?

Andrea Wauer-Höflich

 

 

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